Die Piazza, die Piazza!

by Marco Solari, President Locarno Film Festival

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Am Abend des 17. August 2019, als wir eine Festival-Ausgabe von grossem künstlerischem und organisatorischem Erfolg abschlossen, konnte sich niemand vorstellen, zu welch schmerzhaften Verzichten wir im Jahre 2020 gezwungen sein würden. Es war eine traurige Piazza Grande im Sommer des letzten Jahres, ohne die Stühle, ohne die Menschen, ohne die abendliche Stimmung zwischen den Künstlern auf der Bühne und dem aufmerksamen, kritischen, aber immer begeisterungsfähigen Publikum. Und doch haben wir angesichts der durch die Pandemie verursachten Krise nicht aufgegeben, und dank des Engagements des Teams konnten wir eine beachtliche Hybridausgabe organisieren, in den Kinos von Locarno und online. So hat es das Festival geschafft, präsent zu sein, sein Publikum nicht zu enttäuschen und sogar seine Community weltweit zu erweitern. 

 Zwei Jahre, die wie eine Ewigkeit erscheinen. Aber jetzt, vom 4. bis 14. August, wird das Locarno Film Festival auf der Piazza, in den Kinos und dank eines weiter ausgebauten und noch attraktiveren digitalen und Online-Angebots wieder seine Freiheit feiern können, die zum Wesen der 75-jährigen Geschichte des Festivals und seines Publikums gehört. Dies ist eine reale Freiheit für jeden von uns und für das Festival. Das Locarno Film Festival bietet nicht nur hochkarätige filmische Überraschungen, sondern auch die zur Ikone gewordene Piazza, die der Architekt Livio Vacchini 1971 mit einem Geniestreich geschaffen hat: Eine Leinwand unter den Sternen, vor Tausenden von Stühlen, im Herzen der Stadt. Eine einfache, aber grossartige Idee — die Idee einer Gemeinschaft, die sich dank eines Films bildet und die sich um einen Film, ein Kino, eine Kultur versammelt. Seit jenem Augusttag vor genau fünfzig Jahren auf der Piazza Grande, oder noch präziser seit dem 23. August 1946 – dem Abend der ersten Filmvorführung damals im Grand Hotel - ist das Locarno Film Festival ein freier Ort, an dem Kunst und Denken gefeiert werden. Ein Ort, der in der Lage ist, "andere" Visionen aufzunehmen und gleichzeitig hervorzubringen, und der sich nie dem Einfachen, dem Unmittelbaren, dem Bequemen hingegeben hat. Die freie Meinungsäusserung und die Würde von Frauen und Männern hatten immer Priorität, während Lügen, Unterdrückung und "Fake" kein Platz gegeben wurde, nie. 

 Heute, am Vorabend seiner 74. Ausgabe, lässt das Festival in Locarno einmal mehr die Leidenschaft für das Kino aufleben,  unter der neuen künstlerischen Leitung von Giona A. Nazzaro. In seinem ersten Jahr wird der neue künstlerische Leiter mit seiner tiefgreifenden cinephilen Kultur das Publikum in Locarno und in der ganzen Welt durch die Entscheidungen, die er zusammen mit seinem Auswahlkommissionen  getroffen hat, überzeugen können. Ein Neuanfang für ihn und für das Festival, bei dem er auf die Unterstützung von Raphaël Brunschwig, eines operativen Leiters mit grossem Organisationstalent, und von Simona Gamba, einer stellvertretenden operativen Leiterin mit sicheren  Kompetenzen im digitalen Bereich, zählen konnte. Aber dass Locarno74 seine Gestalt angenommen hat, ist dem gesamten Festivalteam zu verdanken, das in einer sehr schwierigen Zeit alles gegeben hat, wenn nicht sogar ein bisschen mehr. 

Wir schauen mit Zuversicht in die Zukunft. Meine, unsere Vision ist die eines Festivals, das neben den elf Tagen im August das ganze Jahr lang für seine "Community" da ist. Ein hochqualifiziertes Team unter der Führung des operativen Leiter erarbeitet, die den Gremien zu unterbreitende  Strategie. 

 Im Namen des Verwaltungsrats möchte ich mich bei der Festivalleitung und dem Team bedanken und wünsche dem Publikum elf Tage wahrer Filmleidenschaft — in Locarno, auf der Piazza. Gemeinsam. 

Marco Solari
Präsident Locarno Film Fsetival 

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