Press Releases  ·  07 | 08 | 2017

Connect to Reality

Neue Strategien für die Schweizer Filmindustrie: die Filmschaffenden versammeln sich, um den Verleih, die Auswertung und die Promotion des Schweizer Films neu zu denken 

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Locarno, 5. August 2017 – Mehr als sechzig Personen aus der Filmbranche haben sich am Samstag ihm Rahmen der Initiative Connect to Reality getroffen. Connect to Reality ist eine Diskussionsplattform, die von den Filmfestivals Locarno, Zürich und Genf lanciert wurde. Ein Think Tank, der die kritische Auseinandersetzung mit den Herausforderungen in der Entwicklung, der Produktion und des Vertriebes der Schweizer Filme fördern soll.

Rund 60 Persönlichkeiten aus der Schweizer Filmbranche sowie prominente Gäste aus dem europäischen Ausland haben im Rahmen des Locarno Festival am Samstag in sechs verschiedenen Arbeitsgruppen neue Strategien erarbeitet, die dem Schweizer Film in den Kinos im In- und Ausland sowie an den internationalen Filmfestivals zu mehr Erfolg zu verhelfen sollen. Die Teilnehmenden aus zehn europäischen Ländern waren sich einig, dass angesichts des konstant tiefen Marktsanteils des Schweizer Films von rund 5% im Inland und nur wenigen Kinoerfolgen im Ausland dringend etwas geschehen müsse. Konkret haben die verschiedenen Arbeitsgruppen mehrere Massnahmen vorgeschlagen sowie auf wunde Punkte hingewiesen.

 

Connect to Reality wurde mit Grundsatzreferaten eröffnet, es sprachen Edouard Waintrop, der Direktor der renommierten Sektion Quinzaine des réalisateurs am Filmfestival Cannes sowie Klaus Rasmussen von der deutschen Firma Global Screen, einem der grössten Film-Weltvertriebe in Europa. Zudem präsentierte Christian Jungen, Kulturchef der NZZ am Sonntag, seine Vision für den Erfolg des Schweizer Films im In- und Ausland. Die Anwesenden haben sich mit den vorgetragenen Thesen engagiert auseinandergesetzt und festgehalten, wie sich ihre Praktiken davon unterscheiden und welche Ziele sie bisher erreicht haben.

In den verschiedenen Arbeitsgruppen vertreten waren unter vielen andern etwa die Festivaldirektorinnen und -direktoren von Solothurn, Zürich, Genf, Neuchâtel, Nyon, Fribourg, Hamburg sowie europäische Verleiher, Produzenten, und Vertreter verschiedener Institutionen und Finanzfonds. Im Weiteren waren auch World Sales wie The Match Factory, Doc&Film, Loco, Cinephil und Beta anwesend. In jeder Arbeitsgruppe wurde eine spezifische Fragestellung eingehend diskutiert. Basierend auf diesen Diskussionen wurden folgende Feststellungen und Vorschläge gemacht:

  • Generell wurde die grosse Bedeutung der Filmfestivals betont. Ohne eine prominente Festivalteilnahme sei eine gute Kinoauswertung heute nur schwer möglich; das gelte sowohl im In- wie im Ausland. Zudem solle die Flexibilität der Auswertungskanäle gesteigert werden, was den Filmschaffenden erlauben würde, ihre Vertriebsstrategie in den Sälen und auf digitalen Plattformen erfolgreicher zu koordinieren.
     
  • Einig waren sich die Teilnehmenden, dass mehr Zeit und Geld in die Entwicklung und in das Drehbuch der Schweizer Filmprojekte gesteckt werden müsse, um die Qualität des Drehbuchs zu garantieren. Es wird zudem empfohlen, frühzeitig zu entscheiden, welches Zielpublikum angesprochen werden soll und welche Ziele für die Verbreitung verfolgt werden.
     
  • Ein Erfolgsrezept gäbe es nicht, aber jeder Film brauche einen Businessplan. Als unabdingbare Voraussetzungen, um die Chancen auf eine erfolgreiche Verbreitung zu erhöhen, wurden die Qualität des Drehbuchs festgehalten, sowie die Stärke der Schauspielerinnen und Schauspieler, das Renommée der Regie, der Wille, mit vielversprechenden Talenten zu arbeiten und eine prominente Festivalteilnahme.
     
  • Mehrere Teilnehmende kritisierten, dass das Schweizer Filmfördersystem nicht den heutigen Realitäten angepasst sei. Das Bundesamt für Kultur wurde aufgefordert, wie in andern Ländern Statistiken zum Kinopublikum zu erheben, damit man beim Filmstart entsprechende Strategien erarbeiten könne. Ein Vorschlag betrifft zudem die Durchführung von Testscreenings, um die Reaktionen des Publikums antizipieren zu können.
     
  • Zudem wurde angemerkt, dass man sich eine neue Strategie überlegen muss, um vermehrt ein jüngeres Publikum für die Kinokultur zu begeistern. In diesem Zusamenhang wurde festgestellt, dass es in Europa im Allgemeinen an Nachwuchs im Bereich des Filmverleihs mangelt, was wiederum dazu führt, dass das junge Publikum bei den Marktteilnehmern unterrepräsentiert ist.
     
  • Es wurde ebenfalls vorgeschlagen, ein Rebranding des Schweizer Films anzustreben, da er beim Kinopublikum nicht einen besonders guten Ruf zu haben scheint – im Gegensatz zur Situation in Deutschland und in Frankreich. Dabei gilt es auf die Komplexität der Schweizer Kinolandschaft mit den drei Landessprachen Rücksicht zu nehmen. Auch die Tatsache, dass die Schweiz vom europäischen Fördersystem MEDIA ausgeschlossen sei, bedeute einen Nachteil für den Schweizer Film.
     
  • Viel Positives gab es hingegen vom Schweizer Dokumentarfilm zu berichten. Im Gegensatz zum Spielfilm funktioniere hier das Branding. Schweizer Dokumentarfilme könnten international nicht nur mithalten, sondern herausragen. Fast die Hälfte der Kinoeintritte für Schweizer Filme würden für Dokumentarfilme gekauft.

Die Initiative Connect to Reality wird nach ihrem erfolgreichen Start am Locarno Festival am 2. Oktober fortgesetzt am Zurich Film Festival und am 7. November am Geneva International Film Festival. In Zürich werden Fragen der Filmproduktion im Vordergrund stehen, in Genf stehen die neuen Herausforderungen der Kreation zur Diskussion. Erklärtes gemeinsames Ziel der drei Treffen ist die Verständigung über notwendige Reformen, welche die Präsenz des Schweizer Films im Kino im In- und Ausland sowie an den internationalen Festivals erheblich und dauerhaft steigern sollen.

Connect to Reality Locarno wird unterstützt durch die MEDIA Ersatzmassnahmen des Bundesamtes für Kultur (BAK) und gefördert von der SSA (Société Suisse des Auteurs) und der Genossenschaft Suissimage.

www.pardo.ch

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